- Tom Bohn
Ungeimpft. Wie die Schauspielerin Eva Herzig ihren Job verlor
Aktualisiert: 13. Aug. 2021
Die Schauspielerin Eva Herzig will sich vorerst nicht impfen lassen. Daraufhin wird sie vorläufig nicht mehr im „Steirerkrimi“ gezeigt. ARD und ORF behaupten jetzt, sie hätten mit dem Rausschmiss nichts zu tun. Doch untersucht man den Fall genauer, stößt man auf Ungereimtheiten.

Eine Nachricht, die nachdenklich macht: Die Schauspielerin Eva Herzig, in einer durchgehenden Rolle des „Steirerkirimi“s besetzt, möchte sich nicht gegen das Corona-Virus impfen lassen und wird deswegen aus der Serie zunächst einmal herausgeschrieben.
Herzig, der die Impfung „noch zu unerforscht“ scheint, ist durch ihre abwartende Haltung nicht nur eine gut bezahlte Arbeit los, sondern ist obendrein in den Augen der Öffentlichkeit als „Impfverweigerin“ stigmatisiert.
Wenn man den Vorgang als Insider untersucht, stösst man auf Unge-reimtheiten. So liess der ORF als einer der beiden Auftraggeber der Serie verlauten, dass der Produzent die beiden Partner ARD und ORF „von seiner Entscheidung die Zusammenarbeit mit Eva Herzig auszusetzen“ informiert hat.
Das ist genauso unglaubwürdig, als würde der Fussballer Thomas Müller im Vorfeld der Europameisterschaft behaupten, er hätte sich selbst in den Kader der Nationalmannschaft berufen.
Merke: Ein Produzent besetzt Schlüsselrollen einer Produktion für den ÖRR grundsätzlich erst nach einem Okay durch den Sender. Erst recht holt er sich diese Zustimmung ein, wenn es um eine Umbesetzung geht. Entschieden wird über eine solch wichtige Personalie also im Sender und nicht in der Produktion. Möglicherweise sogar erst nach Rücksprache mit dem zuständigen Fernsehspielchef.
Der wahrscheinlichere Ablauf des Vorgangs dürfte also so vonstatten gegangen sein: Frau Herzig informiert ihren Produzenten, dass sie sich noch nicht impfen lassen will. Der Produzent informiert darüber die auftragegebenden Sender und diese beschliessen dann miteinander eine Umbesetzung.
Logisch bestätigt wird diese Reihenfolge auch dadurch, dass nach Herzigs Aussetzen das Drehbuch geändert werden muss. Was ohne Drehbuchautor und Redaktion beim ÖRR schlichtweg undenkbar ist.
Die nun folgende, sehr interessante Frage lautet: Warum schiebt der ÖRR den, für diese Entscheidung eher bedeutungslosen Produzenten vor? Und steht nicht selbst für diese gesellschaftlich sehr relevante Entscheidung gerade?
Eine weitere Frage ist natürlich auch, warum man Frau Herzig nicht, wie bisher auch, einfach vor jedem Drehtag testet. Die Kosten dafür dürften da kein Argument sein, denn ein Drehbuch umzuschreiben kostet auch.
Vom ORF hieß, dass man nun gemeinsam versuche, „sämtliche produktionsrelevanten Aspekte, persönlichen Rechte und Sorgfaltspflichten respektvoll in Einklang zu bringen“.
Das wäre am einfachsten, menschen- und produktionsfreundlichsten durch einen morgendlichen Schnelltest am Set gelungen.
Ausserdem ist man selbst nach einer vollständigen Impfung nicht vor einer Infizierung mit dem Corona-Virus sicher. Bis Ende April wurden alleine in Sachsen 507 Fälle solche Covid-19 Erkrankungen trotz einer kompletten Grundimmunisierung bestätigt.
Nur damit hier keine Zweifel aufkommen: Der Autor dieser Zeilen ist selber gegen Covid19 geimpft und hält diese Art der Vorbeugung für grundsätzlich richtig. Falsch jedoch ist es meines Erachtens, jemanden den Job zu canceln, nur weil der für sich und sein Leben zu einer anderen Entscheidung gekommen ist.
Dass man sich auf Seiten des ÖRR erneut des Vorwurfs aussetzt den amtierenden Regierungen gegenüber vorauseilenden Gehorsam zu leisten, ist eine tragische Begleiterscheinung dieses zutiefst unkollegialen Vorgangs. Und schliesslich:
Wer eine(n) Schauspieler(in) aufgrund einer solch wackeligen Problematik einfach aus einer Produktion entfernt, zeigt letztendlich sehr deutlich, dass er von individuellem, künstlerischem Schaffen und Kultur weitaus weniger versteht, als er es gerne vorgibt.
©Text und Foto: Tom Bohn, Berlin, 7.6.2021
Veröffentlicht in der WELT am 08.06.2021